Christine möchte ihr Kleid verkaufen. Dafür stellt sie ein Inserat auf Willhaben. Für das Inserat macht sie ein Foto, auf dem sie ihr Kleid trägt. Kurze Zeit später erhält sie eine Nachricht.
Christine ist damit nicht alleine.
Doch wie groß ist die Problematik wirklich?
Wir haben 430 Frauen auf Willhaben nach ihren Erfahrungen mit belästigenden Nachrichten gefragt. Sie alle verkaufen auf der Plattform Kleidung. Die meisten tragen die Kleidung auf den Fotos selbst.
0% aller Frauen, die auf Willhaben Kleidung verkaufen, haben belästigende Nachrichten erhalten
0% davon haben öfter als einmal belästigende Nachrichten erhalten
Die Nachrichten reichen von anzüglichen Komplimenten über explizite Beschreibungen sexueller Handlungen bis hin zu Fotos von Geschlechtsteilen. Die Nachrichten haben gemeinsam, dass sie im Kontext einer Verkaufsplattform von den Frauen als unangebracht und belästigend empfunden werden.
Sechs von zehn Frauen haben belästigende Nachrichten erhalten. Fünf von zehn mehr als einmal. Die Recherche zeigt: Sexuelle Belästigung im Netz ist weit verbreitet, auch auf Verkaufsplattformen.
Von harmlos bis angsteinflößend - die Erfahrungen von Willhaben-Verkäuferin Christine K. illustrieren die Problematik sexuell belästigender Nachrichten auf Verkaufsplattformen im Internet.
Warnung: Erwähnung sexualisierter Gewalt.
Christine K. verkauft seit über zehn Jahren ihre alten Kleider im Internet. So manch eine Kaufanfrage wirkt jedoch, als stünde ihr Körper, nicht ihre Kleidung zum Verkauf. Anzügliche Bemerkungen, plumpe Anmachsprüche oder auch die ungefragte Zusendung von Nacktfotos gehören zum Verkaufsalltag. Einmal verkaufte sie einen Lederrock an einen Mann. Wenig später erhielt sie ein Bild von ihm, auf dem der Rock mit seinem Ejakulat zu sehen war.
Wie häufig Christine mit belästigenden Nachrichten konfrontiert ist, zeigt ein Ordner, in dem sie Screenshots sammelt. “Spinner” hat sie diesen betitelt. Darin befinden sich Dutzende Nachrichtenanfragen, die den Hintergrund der Namensgebung erahnen lassen. Die meisten Absender kommentieren Christines Aussehen. “Sexy Beine, aber der Rock ist zu lange” oder “Hübsches Kleid, gibt es den Inhalt auch dazu?” zählen zu den unerwünschten Kommentaren. Andere wiederum fordern besondere Gefälligkeiten, wie etwa getragene Unterwäsche oder durchgeschwitzte Sandalen.
Christine empfindet Nachrichten, die ihr Aussehen kommentieren, als unangebracht, aber harmlos. Ab und zu weist sie die Nachrichtenabsender darauf hin, dass man sich auf einer Verkaufsplattform und nicht auf einer Dating-Plattform befinde. Anfragen nach besonderen Dienstleistungen ignoriert sie. In den meisten Fällen ist es damit getan.
Ein Mann schrieb ihr immer wieder. Mit jeder Benachrichtigung wuchs ihr flaues Gefühl. “Einmal habe ich ein krasses Mail von ihm bekommen. Da hatte ich dann ein wenig Angst, dass mich dieser Genosse besuchen kommt”, schildert die Willhaben-Verkäuferin. In der Nachricht beschreibt der Mann Schritt für Schritt, was er mit ihr machen würde, wenn sie „so vor ihm stehen würde" und schlägt ein Kennenlernen vor.
Auslöser der perversen Fantasien war ein Bild, auf dem Christine sich in einem Kleid zeigt. Ihr Gesicht war darauf nicht zu sehen. Durch konsequentes Ignorieren stoppten die Nachrichten und landeten schließlich in ihrem Ordner für anzügliche Anfragen. Es hieß also abzuwarten, bis die Belästigung von alleine aufhörte. Christine hätte bevorzugt, den Belästiger zu melden und sperren zu lassen. Mangels Meldebutton sah sie sich nicht dazu in der Lage. Willhaben verweist in solchen Fällen auf ihren Kundensupport, bei der auch Belästigung gemeldet werden kann. Trotz langjähriger Verkaufserfahrung wusste die Willhaben-Verkäuferin nicht von dieser Möglichkeit. Grund dafür sei auch gewesen, dass es bei einer Supportanfrage keine eigene Auswahlmöglichkeit für Belästigung gibt.
Christine hat eigene Sicherheitsvorkehrungen für ihre Verkaufstätigkeit etabliert. Wenn eine persönliche Abholung gewünscht wird, verlangt sie zuerst eine Telefonnummer, an welche sie ihre Adresse schickt, um nachvollziehen zu können, mit wem sie es zu tun hat. Zur Zeit der Abholung stellt sie sicher, dass auch ihr Mann anwesend ist, um unangenehme Situationen zu vermeiden. Mit den Jahren bekam sie zudem ein Gespür für Anfragen mit ernsten und weniger ernsten Kaufabsichten.
Christine ist mit ihren Erfahrungen nicht alleine. Unzählige Frauen berichteten uns von belästigenden Nachrichten und zweifelhaften Anfragen auf Verkaufsportalen. Fast alle empfinden die Nachrichten als unangebracht, belästigend und besonders im Kontext einer Verkaufsplattform keinesfalls als Kompliment. Die meisten Nachrichten kommentieren den Körper der Verkäuferinnen. In einigen Fällen bekamen Frauen bis zu 3.000 Euro für einen Privatbesuch geboten, ein Angebot bei Pornodrehs mitzumachen oder auch für einen bezahlten “frivolen Urlaub” auf einer kroatischen Insel. Ebenso Anfragen nach getragener Unterwäsche oder stark riechenden Schuhen treten vermehrt auf.
Viele Nutzerinnen stört besonders, dass die Nachrichten den tatsächlichen Zweck einer Verkaufsplattform konterkarieren. „Ich möchte einfach meine Klamotten verkaufen. Die Männer sollten sich eine Dating-App zulegen, anstatt wie Perverslinge Frauen auf Verkaufsplattformen anzuschreiben“, meint Willhaben-Verkäuferin Linh, die eigentlich anders heißt.
Belästigende Nachrichten beeinflussen das Verhalten der Frauen. Manche Verkäuferinnen haben aufgehört, Artikel mit Fotos zu inserieren, auf denen ihr Körper zu sehen ist. Willhaben-Nutzerin Ivana, die sonst einen anderen Namen trägt, überlegt nun auch abseits des Portals, wie sie sich kleidet. Sie möchte keine Belästigung „provozieren“. Als „junge, offenherzige“ Frau sei sie ständig „Zielobjekt sexueller Belästigung“. Andere Nutzerinnen verkaufen ihre Kleidung nur noch über den Account männlicher Bezugspersonen, weil diese keiner Belästigung ausgesetzt seien. Einige Frauen vermeiden persönliche Übergaben, da sie sich dabei unwohl fühlen oder bereits unangenehme Erfahrungen gemacht haben. Der überwiegende Teil der Frauen kommuniziert aus Sicherheitsgründen bloß über die Willhaben-Plattform und gibt keine Telefonnummer an.
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Wir haben Katrin Grabner, Kinderrechtsexpertin bei SOS-Kinderdorf und Leiterin des Projekts „#besafeonline“, die Screenshots der betroffenen Frauen gezeigt. Wo die Grenze der Strafbarkeit liegt, erklärt sie im Interview.
Die Frage, ob etwas strafbar ist, kann nicht pauschal mit ja oder nein beantwortet werden. Der Kontext ist oftmals entscheidend. So ist es auch bei den vielen Nachrichten, die die Willhaben-Verkäuferinnen erhalten und uns als Screenshots geschickt haben. Katrin Grabner erklärt, welche Nachrichten unter welchen Umständen strafbar sein können und zeigt auf, weshalb die Grenze des Annehmbaren nicht bei der Strafbarkeit zu setzen ist. Warnung: Die Nachrichten enthalten explizite Sprache.
STANDARD: Das ist die gesamte Nachricht, die Christine erhalten hat. Ist das strafbar?
Katrin Grabner: Grundsätzlich könnte die Androhung einer Vergewaltigung eine gefährliche Drohung sein. Allerdings ist es hier im Konjunktiv formuliert und es wird nicht explizit Gewalt angedroht, weshalb ich diese Nachricht nicht im Bereich der Strafbarkeit sehe. Für eine gefährliche Drohung braucht es die Absicht, jemanden in Furcht und Unruhe zu versetzen, wie die Juristen sagen.
STANDARD: Christine hat uns mitgeteilt, dass sie Angst hatte als sie die Nachricht erhalten hat.
Katrin Grabner: Es geht weniger darum, ob sie tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wird. Die Frage ist, ob sich jemand objektiv dadurch bedroht fühlen könnte und welche Absicht der Täter verfolgt. Und da wäre das wohl zu wenig. Auch wenn es für die Betroffene dramatische Auswirkungen haben kann. Es ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen, dass man die Grenze des Annehmbaren nicht bei der Strafbarkeit setzen sollte.
STANDARD: Der Mann hat Christine mehrere Nachrichten geschrieben. Ändert das was am Straftatbestand?
Katrin Grabner: Wenn wiederholt Nachrichten kommen, kann es schon eher als gefährliche Drohung gesehen werden. Also als eine, die objektiv als solche empfunden werden kann. Andererseits könnte es dann auch Stalking sein, das ebenfalls strafbar ist. Stalking ist, wenn eine Person längere Zeit immer wieder von derselben Person belästigt wird und es dadurch zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Lebens führen könnte.
STANDARD: Hier wurde einer Verkäuferin Geld für sexuelle Handlungen geboten. Ist das strafbar?
Katrin Grabner: Bei Erwachsenen ist es nicht strafbar, Geld für sexuelle Handlungen anzubieten. Bei Minderjährigen aber sehr wohl. Wenn man unter 18-Jährigen Geld für sexuelle Handlungen in Aussicht stellt, kann man schon in die Versuchsstrafbarkeit für einen sexuellen Missbrauch kommen. Es setzt aber voraus, dass man es ernstlich für möglich hält, dass das Gegenüber minderjährig ist.
STANDARD: Also Unwissenheit schützt vor Strafe?
Katrin Grabner: Der Kontext entscheidet. Wenn man nicht annehmen kann, dass die Person eine Minderjährige ist, schützt die Unwissenheit.
DICKPIC
STANDARD: Eine Frau hat ein Bild von einem erigierten Penis erhalten, ein sogenanntes „Dickpic“. Ist das strafbar?
Katrin Grabner: Das ist ein wichtiges Thema. Laut unserer Studie haben 27 Prozent der Jugendlichen zwischen elf und 18 Jahren bereits belästigende Nachrichten erhalten. 20 Prozent haben intime Fotos bekommen, die sie nicht sehen wollten. Darunter einige „Dickpics“. Es ist also ein häufiger Fall von Belästigung, der in Österreich leider in keiner Weise strafbar ist.
STANDARD: Nicht einmal bei Minderjährigen?
Katrin Grabner: Bei Minderjährigen könnten noch das Pornografiegesetz oder die Jugendschutzgesetze in Frage kommen. Aber die sind eigentlich zahnlos. Es gibt hier im Grunde keinen Straftatbestand. Das führt dazu, dass man einer 13-Jährigen ein „Dickpic“ schicken kann, ohne dass es große Konsequenzen hat. Das verstehen viele nicht, ich auch nicht.
STANDARD: In diesem Fall wurde einer Frau Geld für Fotos geboten. Ist das strafbar?
Katrin Grabner: Die bloße Frage, ob man ein Foto schicken könnte, ist nicht strafbar. Außer die betroffene Person wäre unter vierzehn Jahre alt, das kann als Cyber-Grooming strafbar sein. Wenn dann aber tatsächlich ein Foto geschickt wird, gibt es verschiedene Möglichkeiten sich in die Strafbarkeit hineinzubewegen, auch bei Fotos von über 14-Jährigen.
STANDARD: Welche?
Katrin Grabner: Das ist jetzt recht komplex. Man muss zwischen Nacktfotos und pornografischen Fotos unterscheiden. Außerdem ist das Alter der Personen oftmals entscheidend. Nehmen wir an, es wird ein pornografisches Foto gesendet. Das bedeutet, man sieht eine sexuelle Handlung oder die Geschlechtsteile sind in reißerischer Art ins Zentrum gestellt. Wenn die Person, die das Foto schickt, dann unter 14 Jahre alt ist, ist bereits der Besitz als Kinderpornografie strafbar. Bei Fotos, die über 14-Jährige zeigen, ist es legal ein Foto geschickt zu bekommen und nur für sich selbst zu betrachten, sofern es im Einvernehmen geschickt wurde. Das gilt auch, wenn eine Minderjährige einem Erwachsenen ein Foto schickt.
STANDARD: Aber wenn man es weiterschickt macht man sich strafbar?
Katrin Grabner:Wenn zwei Menschen, die beide über 14 Jahre alt sind, sich pornografische Fotos schicken ist das von der Strafbarkeit ausgenommen. Wenn aber eine Person ein solches Foto eines Minderjährigen weiterschicken würde, wäre es Verbreitung von Kinderpornografie. Gerade bei Minderjährigen kommt es immer wieder zu Erpressungsversuchen von Erwachsenen. Sie erschleichen sich das Vertrauen und bekommen Fotos. In weiterer Folge möchten sie mehr Fotos oder ein Treffen und drohen mit der Veröffentlichung der Bilder. Das ist dann Nötigung oder Drohung. Die Drohung mit einer solchen Veröffentlichung wäre übrigens immer strafbar, selbst gegenüber Erwachsenen und bei „bloßen“ Nacktfotos.
STANDARD: Wenn es keine pornografischen Fotos sind, dürfen die Bilder auch verbreitet werden?
Katrin Grabner: Bloße Nacktfotos sind keine Kinderpornografie. Die Veröffentlichung von Nacktfotos kann dennoch als Cyber-Mobbing strafbar sein. Es ist ein weitverbreitetes Problem, nicht nur unter Jugendlichen, dass im Vertrauen geteilte Fotos weiterverbreitet werden. Seit der Hass-im-Netz-Novelle reicht jetzt auch das einmalige Hochladen damit es als Mobbing angezeigt werden kann.
STANDARD: In dieser Nachricht beschreibt ein Mann seine rauen sexuellen Vorstellungen. Ist das strafbar?
Katrin Grabner: Auch hier ist es wegen „ich würde gerne/ich möchte“ für eine gefährliche Drohung in der Praxis oft noch zu wenig. Aber das sind schon Nachrichten die grenzwertig sind. Also wenn da klar drinnen steht: „Ich komme in der Nacht und vergewaltige dich“ ist das natürlich etwas anderes. Es hängt aber auch vom Kontext ab. Wenn es beispielsweise schon eine längere Konversation ist – man kennt sich, weiß wo man wohnt – ist das schon sehr bedrohlich. So detaillierte Schilderungen sind für Betroffene stark belastend, schrammen aber oft scharf an der Strafbarkeit vorbei.
STANDARD: Die Nachrichten sind alle privat gesendet. Wären manche strafbar, wenn sie öffentlich und nicht privat wären?
Katrin Grabner: Gefährliche Drohung oder Nötigung muss nicht öffentlich sein, die ist auch im Zweier-Chat strafbar. Einen Unterschied macht es bei Cyber-Mobbing oder bei hetzerischen Nachrichten, also Hass im Netz, so wie Beleidigungen. Im privaten Chat muss man sich vor dem Gesetz viel gefallen lassen. Also wenn solche Dinge nicht öffentlich sind, hat man leider wenig rechtliche Mittel.
Sie möchten wissen, wie man richtig mit belästigenden Nachrichten umgeht? Es interessiert Sie, wie wir zu unseren Daten gekommen sind? Hier erfahren Sie mehr!
Wir haben Willhaben mit den Zahlen und Geschichten der Frauen konfrontiert. Auf Willhaben gibt es die Möglichkeit, Absender belästigender Nachrichten im Chat zu blockieren. Eine eigens eingerichtete Melde- oder Bewertungsfunktion fehlt aber. Viele Frauen würden sich eine solche wünschen.
„Ein Button für Belästigung in der App wäre vielleicht die Lösung für das Problem“, schreibt Userin Aline. Damit spricht sie den Wunsch vieler Nutzerinnen nach einer einfach zugänglichen Melde- und Bewertungsfunktion auf Willhaben aus. Bisher gibt es auf der Plattform zwar die Möglichkeit, Absender unangebrachter Nachrichten zu blockieren. Gemeldet werden können diese aber nur, wenn man sich aktiv über das Kontaktformular oder die Support-Hotline an Willhaben wendet. Einigen Frauen, die uns geschrieben haben, reichen die vorhandenen Vorkehrungen nicht. „Willhaben unternimmt anscheinend gar nichts dagegen. Das ist ein Thema, das totgeschwiegen wird“, schreibt Nutzerin Sabrina.
Auch Katrin Grabner, Kinderrechtsexpertin bei SOS-Kinderdorf und Leiterin des Projekts „#besafeonline“, wünscht sich funktionierende Systeme, um sexuelle Belästigung auf Verkaufsplattformen zu verfolgen. Besonders wichtig sei, dass diese niederschwellig und leicht zu handhaben sind. „Plattformen haben Möglichkeiten und sollten diese auch nützen, weil sie eine Verantwortung tragen“, sagt Grabner. Dennoch sei Willhaben als Verkaufsplattform rechtlich nicht dazu verpflichtet, solche Systeme zu schaffen.
Willhaben-Geschäftsführerin Sylvia Dellantonio betont in einer Stellungnahme, hinsichtlich sexueller Belästigung auf der Plattform eine „Null-Toleranz-Linie“ zu verfolgen. Dennoch könne man Belästigung nicht gänzlich ausschließen: „Da Willhaben von Millionen Menschen regelmäßig verwendet wird, bilden wir einen Querschnitt der heimischen Gesamtbevölkerung ab. Dass es somit auch zu derartigen Vorkommnissen kommen kann, ist leider nicht auszuschließen“, schildert Dellantonio.
Die Geschäftsführerin betont, dass sexuelle Belästigung gegen die Willhaben-AGB verstoße. Ihr Handlungsspielraum beschränke sich jedoch auf jene Fälle, die aktiv über das Kontaktformular oder die Support-Hotline an sie herangetragen würden. Infolge werde aber jede Supportanfrage intensiv geprüft: „Im Rahmen der persönlichen Kommunikation mit den Betroffenen geben wir entsprechende Hilfestellung, raten zur genauen Dokumentation des Vorfalles und zur polizeilichen Anzeige.“ Zudem sei die Möglichkeit, einzelne Nutzerinnen und Nutzer zu blockieren, „sehr effektiv“. Ein Bewertungssystem habe man auf Grund mangelnder Kontrollierbarkeit nicht umgesetzt.
Die österreichischen Behörden empfehlen folgende Vorgehensweise bei Belästigung im Internet:
Beratungsstellen:
Wir haben uns bei der Recherche und Datenerhebung auf die Verkaufsplattform Willhaben beschränkt, da diese der größte Online-Marktplatz Österreichs ist und zu den meistbesuchten Internetseiten Österreichs zählt (8.418.137 Unique Clients im Juli 2020 gemäß ÖWA).
Vorgehensweise: Wir haben zu Beginn unserer Recherche ein Willhaben-Profil eingerichtet, von dem aus wir 906 Frauen kontaktiert haben. Jede Frau, die wir angeschrieben haben, hatte ein Kleidungsstück auf Willhaben inseriert. Dabei haben wir vermehrt Frauen angeschrieben, die das Kleidungsstück auf dem Bild selbst tragen. Wir haben uns auf die Willhaben-Kategorien Kleider, Schuhe, Tops/Shirts, Unterwäsche, Hosen und Röcke beschränkt. In unserem Anfragetext haben wir die Frauen gefragt, ob sie auf Willhaben schon einmal sexuell belästigende Anfragen, die nichts mit dem Verkaufsgegenstand zu tun haben, erhalten haben, was dabei genau geschrieben wurde und wie sie damit umgegangen sind. Drei bis sieben Tage nach dem Absenden der Anfrage haben wir den Chatverlauf ausgewertet. Von den 906 Frauen haben 427 auf unsere Anfrage geantwortet.
Kategorisierung der Daten: Die Daten wurden danach kategorisiert, ob die Frauen bereits sexuell belästigende Anfragen erhalten haben oder nicht. Als sexuell belästigend wurden Anfragen nach (getragener) Unterwäsche, Anfragen nach Fotos, (anzügliche) Kommentare über das Aussehen oder den Körper der Person, Anfragen nach getragenen Schuhen, sexuelle Angebote, das Versenden von einem "Dickpic", Anrufe und Anfragen nach Dates oder Treffen gewertet. Auch die eben genannten Formen der belästigenden Anfragen wurden kategorisiert. Weiters wurde die Häufigkeit der sexuellen Anfragen abgefragt, wobei zwischen “1x” und “öfter” gewählt werden konnte.
Defizite in den Daten: Nicht bei allen Frauen, die wir angeschrieben haben, ging aus der Rückmeldung klar hervor, ob sie schon einmal sexuell belästigende Anfragen erhalten haben. Diese Antworten wurden als “unklar” definiert (7%). Dasselbe gilt für die Häufigkeit der Belästigungen. (4% “unklar”).
Zeitraum der Recherche: Die Datenerhebung fand zwischen dem 16. November und dem 8. Dezember 2020 statt.